Frau ohne Eigenschaften / Kunst mit Eigenschaften

Sabeth Buchmann: Frau ohne Eigenschaften / Kunst mit Eigenschaften. In: Karin Felbermayr, Performative Elements, Verbrecher Verlag, Berlin 2007.

In dem Maße, in dem gesellschaftliche und mediale Wahrnehmungen einer auf Frau/ Mann, weiblich/ männlich festgelegten Geschlechterdifferenz analysiert und mit anti-binären Gegenbildern konfrontiert wurden, haben sich KünstlerInnen und TheoretikerInnen der Post- und Neoavantgarden um ein „Re-Gendering“ moderner Kunst und Kunstgeschichte bemüht. So vermochte die Einsicht in die soziale Produziertheit von Subjekten für den performativen, d.h. sprach- und handlungsorientierten Charakter von Geschlecht und Geschlechtsidentität zu sensibilisieren und gängige Ansätze der feministischen Repräsentationskritik zu erweitern: Geschlechtsspezifische Machtverhältnisse, die sich auf männliche und weibliche Eigenschaften stützen, sind dieser Sichtweise zufolge Resultat repetitiver Subjektivierungs- und Identifizierungsprozesse, die in der Sprache vonstatten gehen. Entsprechend fragt die Philosophin Judith Butler: „Wie kann Macht, von der das Subjekt in seiner Existenz abhängt und die es zu wiederholen gezwungen ist, sich im Verlauf dieser Wiederholung gegen sich selbst wenden? Wie ist in Begriffen der Wiederholung Widerstand zu denken?“[1] Butlers Überzeugung ist es, dass der unvermeidlichen Wiederholung von Geschlechterstereotypen Abweichung und Differenz immanent sind, da es nicht möglich ist, identische Kopien eines Originals hervorzubringen. Hieraus folgert die Philosophin eine den herrschenden heteronomen Geschlechterbildern innewohnende Devianz.

Einer solchen an den sogenannten „Gender Studies“ orientierten Theorie des Geschlechts könnte man, im Kontext der modernen und zeitgenössischen Kunst, Reflexionen der Subjektkonstitution zur Seite stellen, wie sie sich in der seriellen Kunst der frühen sechziger Jahre ebenso wie in der (feministischen) Performance-, Body- und Videopraxis seit den siebziger Jahren finden.

So stellten sich unter dem Einfluss von Maurice Merleau-Pontys „Phänomenologie der Wahrnehmung“ KünstlerInnen des Minimalismus die Frage, wie ein Subjekt die Objekte seiner Betrachtung erfährt; der Rezipient bzw. die Rezipientin solle entsprechend der idealtypischen Vorstellung seinen bzw. ihren Subjektstatus über den Körperbezug zum seriellen Objekt erfahren und damit sich selbst als Körper konstituieren, um somit – in den Worten der Kunsthistorikerin Rosalind Krauss – genau das zu bannen, „was als entkörperter und daher blutleerer, algebraisierter Zustand der (damals vorherrschenden, SB) abstrakten Malerei empfunden wurde“[2] – einer künstlerischen Strömung, der Krauss zufolge die Vorstellung einer transzendentalen, auf Rationalität begründeten Entität namens „Subjekt“ zugrunde lag.[3]

Der rezeptionsorientierte Werkbegriff der Minimal Art propagierte hingegen ein dem Sehen und Erkennen vorgängiges Bewusstsein um räumliche Koordinaten und Primärformen: Das phänomenologisch gedachte Subjekt zeichnet sich demnach durch die angenommene Fähigkeit aus, Form und Gestalt in einem Akt körperlicher Intuition zu erfassen – ein Gedanke, der dem Primat der optischen Wahrnehmung innerhalb des modernistischen BetrachterInnendispositivs grundlegend widersprach. Dem wurde die Behauptung einer schieren Präsenz des „Objekts“ in Zeit und Raum („presence“ und „place“) entgegen gestellt, das auf die Konzeption des betrachtenden Subjekts zurückschlug: Nur im hier und jetzt sollte sich dieses Subjekt als eine radikal kontingente Position erkennen. Hierin erkennt Krauss den Versuch einer „Wiedergutmachung gegenüber einem Subjekt“, „dessen Alltagserfahrung eine der zunehmenden Isolation, Verdinglichung, Spezialisierung (war), einem Subjekt, das unter den Bedingungen einer fortgeschrittenen Industriekultur eine zunehmend instrumentalisierte Existenz führ(e).“[4] Der Entwurf eines „radikal kontingenten Subjekts“ birgt ihrer Ansicht nach das „Potential des Widerstands gegen die (…) Stereotypisierung (…) der Warenproduktion, das Versprechen eines Moments körperlicher Erfüllung“. Krauss bezeichnet dies als eine „Kompensationsgeste“, „die wir als zutiefst ästhetisch erkennen.“[5]

Ich zitiere Krauss hier u.a. deswegen so ausführlich, weil sie mit einer der für die ästhetische Moderne konstitutiven Figur argumentiert, derzufolge Kunst in einem Verhältnis des Widerspruchs zur Industrialisierung und Rationalisierung des Alltagslebens steht. Diese Figur wird jedoch in Krauss’ Deutung der Phänomenologie, wie sie vom Minimalismus angeeignet wurde, nicht als eine dem Werk immanente Wesenheit, sondern als Eigenschaft des Rezipienten/der Rezipientin gedacht. In ihrer Revision des Minimalismus gesteht Krauss ein, dass im Konstrukt des „radikal kontingenten Subjekts“ die Logik kapitalistischer Warenzirkulation dergestalt angelegt ist, dass es „in das komplett fragmentierte, postmoderne (i.e. das widerstandslose, SB) Subjekt der zeitgenössischen Massenkultur zerfallen konnte“.[6]
Solche eher kulturpessimistischen Revisionen prä-feministischer Subjektentwürfe lassen sich nun mit jenen feministischen Diskursen in Verbindung setzen, die in Anlehnung an postmoderne Kinotheorien das vom Minimalismus reflektierte Verhältnis von Subjekt/Objekt/Raum/Körper durch die Figur des „Screens“ erweitern – mithin einen Wahrnehmungs- und Bilddiskurs, wie er von der Kulturtheoretikerin Kaja Silverman in Anlehnung an die Psychoanalyse formuliert wurde: Demnach sind die Bedingungen der Subjektivierung und (Selbst-)Identifizierung auf grundlegende Weise in die visuellen Muster und Strukturen der modernen Medien- und Konsumkultur verstrickt. Die Metapher des „Screens“ bezeichnet in diesem Zusammenhang die Art und Weise, wie Subjekte durch die Anschauung des Objekts/Bildes sich und ihre (Geschlechts-)Identität entwerfen: Die Bestätigung eines identischen bzw. geschlechtsspezifischen Selbst, kann demnach nur durch den imaginierten Blick einer vom Subjekt verinnerlichten, gleichwohl auf ein Außen projizierten Instanz vonstatten gehen. Ebenso wie der Minimalismus durch die Rezeption der Phänomenologie die dualistische Subjekt-Objekt-Trennung zu überwinden suchte, impliziert die Figur des „Screens“ ein ineinander verflochtenes Blickverhältnis von Subjekt und Objekt, das zugleich die Beziehung von Körper und Raum als ein fragmentarisches und kontingentes, d.h. als ein sich im punktuellen hier und jetzt Realisierendes zu Tage treten lässt: Als solche treten uns auch dreidimensionale, physische Phänomene als Oberflächen entgegen, als instabile Projektionen, die wir für die Wahrheit (des Körpers und des Raums) halten. Mit anderen Worten lässt sich das Wahrnehmungsverhältnis von Subjekt/Objekt/Körper/Raum nicht unabhängig von wechselseitig konstitutiven Subjektivierungs- und Visualisierungsmechanismen konzipieren, in welchen sich, je nach Beschaffenheit der vorherrschenden Kultur, spezifische „Blickregime“ (Silverman) manifestieren. Ebenso wie Butler heteronormative Geschlechterbilder aufzubrechen sucht und ebenso wie Krauss die Widerständigkeit des Subjekts gegen die fortgeschrittene Warenzirkulation reflektiert, stellt Silverman die Frage, wie dem dominanten „Blickregime zu begegnen“[7] sei. Insofern auch sie die Position des Subjektes als eine kontingente denkt, da es immer nur von seinem jeweiligen Standort aus sieht und somit auf sein Gesichtsfeld beschränkt ist, bestimmt sie Jacques Lacan folgend, das Verhältnis des Subjektes zur Welt als ein ebenso fragmentarisches wie imaginäres. Denn der dem Subjekt innewohnende „Screen“ besteht aus imaginären Bildern, die seine Blickbeziehung zur Welt strukturieren. In Analogie zum „Screen“ spricht Silverman daher von einem fotografischen Blick, den das Subjekt auf sich selbst wirft. Es nimmt die Posen, die seinem Selbstbild (als Frau, als Mann etc.) entsprechen, immer schon vorweg: „Die Pose lokalisiert das Subjekt als Maske (…), die von einem Begehren, in spezifischer Form erblickt zu werden, spricht (…). Einerseits produziert sie (die Pose, SB) über die Blickbeziehungen einen Raum, eine Art imaginierten Bühnenhintergrund. ‚The pose always involves both the positioning of a representationally inflected body in space, and the consequent conversion of that space into a place.’“[8]

Für die Fragestellung des vorliegenden Textes bedeutet dies, dass das radikal kontingente Subjekt der Minimal Art in eine Beziehung zur mobilisierten Eigenproduktivität des Blicks innerhalb der Warenzirkulation der modernen Medien- und Konsumkultur gestellt werden kann. Mit Butler argumentiert muss dies nicht, wie Krauss behauptet, auf den Verlust von Widerständigkeit hinauslaufen: Diese hinge nämlich, bezogen auf die Formierung des Geschlechts, von dem Maß ab, in dem die Form der Wiederholung gegen sich selbst gerichtet werden kann. Allerdings stoßen wir spätestens hier auf eine Aporie, auf die Butler selbst hinweist: Wie kann ein Subjekt angedacht werden, das auf die Form der Wiederholung Einfluss nimmt, wenn dieses Subjekt selbst nichts anderes als das (imaginäre) Produkt von subjektkonstituierender Wiederholung ist?[9]
Die hier nur angedeuteten Verbindungslinien zwischen der Phänomenologie des Minimalismus, neueren Geschlechterdiskursen und Kino- bzw. Bildtheorie erfährt schließlich durch den Begriff der Performance eine weitere Zuspitzung.
Im Kontext heute gängiger Formate, die Medien wie Fotografie, Fernsehen, Video und Digitaltechnologien einschließen, bestimmt die Kunsthistorikerin und Kuratorin Silvia Eiblmayr das „Performative“ als „Angelpunkt in jener Dialektik (…), wie sich die künstlerische Konzeption der Werke und der Modus ihrer Wahrnehmung miteinander verknüpfen (…): Im Performativen verbindet sich“, so Eibelmayr, „das Moment des „Theatralischen“, das alle diese erweiterten Formen der bildenden Kunst kennzeichnet, mit dem Sprachlichen.“[10] Das heißt eben auch, dass der „Raum selbst bzw. der Ort, an dem das Kunstwerk stattfindet, ausgestellt oder vorgeführt wird, reflexiv in dessen Konzeption (miteinbezogen) wird.“[11]

Auch wenn ich an dieser Stelle der missverständlichen Ineinssetzung von (theatralischer) Performance und (sprachtheoretischer) Performanz, wie sie für die Gender Studies so bedeutsam ist, nicht das Wort reden möchte, lassen sich in Bezug auf Karin Felbermayrs Werkentwürfe gleichwohl beide Kategorien in Stellung bringen: Vor allem bezogen auf die Form, in der Objekt, Körper und Raum nie nur als „reale“, sondern als auch als imaginäre und buchstäblich projizierte Topoi zur Darstellung kommen – ein Moment, das – vergleichbar mit dem Minimalismus – das Gesichtsfeld der BetrachterInnen in die räumliche Inszenierung der Objekte einbezieht.[12] Aus den geometrischen Grundformen der seriellen Kunst sind indessen Projektionsflächen (Screens) geworden, welche von medialisierten Geschlechtern buchstäblich überschrieben sind: So von den „Mask“ genannten Tuschearbeiten in der grotesk vergrößerte, an Comiczeichnungen erinnernde Hand- und Fußmotive die Bildfläche in einer Weise dominieren, die den Körper nurmehr als elliptische Schatten in Erscheinung treten lassen – mithin als eine Spur, die negativ das zitiert und wiederholt, was sie ausspart.
Dieses „repetitive Negativverfahren“ scheint mir im auch Hinblick auf „Gender Gamble“ von Bedeutung, insofern es in dieser Videoperformance nicht nur um ein Spiel mit herrschenden Geschlechterbildern geht, sondern auch darum, Geschlecht im Kontext einer latent unsichtbaren institutionellen Reproduktion von vergeschlechtlichten Beziehungsgeflechten ansichtig werden zu lassen: Eines Geflechtes aus Apparaturen medialer Bilder, Konventionen ihrer (Re-)Präsentation im Ausstellungsraum und den zwischen Mode, Kunst und alltäglicher Körperinszenierung aufgeteilten Standpunkten und Selbstwahrnehmungen ihrer „KonsumentInnen“ (der Künstlerin ebenso wie der AusstellungsbesucherInnen). In „Gender Gamble“ kulminiert dieses Geflecht in der Metapher des „Screens“ und zwar in Gestalt eines integrierten Systems aus Kameraobjektiv, Bühne und Betrachterraum: Ebenso wie die repetitive Prozedur, die die Künstlerin in ihrer Funktion als Performerin vollführt, um die von ihr inszenierten, zwischen Männlichkeits- und Weiblichkeitsbildern hin- und herchangierenden Model-Posen einzunehmen, ist es die fiktive Geschwindigkeit, die hier codifizierte Akte der Geschlechterinszenierung mit Prozessen der Medialisierung als ein sich in Zeit und Raum vollziehendes Verhältnis von Subjekt(en) und Objekt(en) der Betrachtung fasst.

In diesem Sinne laufen Felbermayrs Tuschearbeiten, Objekte und Performances – unabhängig von ihrem jeweiligen medialen Status – nicht nur einer vorgeblichen Essenz des Dargestellten, sondern auch der Essenz der Darstellung zuwider: Erst in der Gewahrwerdung der funktional-metaphorischen Kopplung von Ausstellungsraum und Bühne, von Körperdarstellung und technischer Apparatur erweisen sich die präsentierten Bilder und Objekte als Elemente einer signifikativen Überarbeitung jener Beziehungen, die wir als BetrachterInnen zwischen ihnen herstellen. Das Beziehungsgeflecht zwischen Subjekt/Objekt/Körper/Raum lässt sich somit als ein indexalisches, alternative Möglichkeitsformen der Kombination implizierendes System deuten.

Folgen wir Felbermayrs Motto „Stereotype as a Masquerade“ bezeichnet „Maske“ demnach das, was die Produktionsbedingungen von Identität (als Männer und/oder als Frauen) ausmacht. Ebenso, wie Butler behauptet, dass die Abweichung der Norm für diese konstitutiv ist, ist es der verzerrende und fiktionalisierende Vorschein von Geschlechtscharakteren, der eine vermeintlich „dahinter“ verborgene Wahrheit zwar suggeriert, doch diese ihrerseits nur als ein imaginiertes Bild – mithin eines, das wir nicht sehen, sondern nur projizieren können. „Mask“, „Gender Gamble“ und „Stereotype as a Masquerade“ implizieren somit keine Gewissheiten über die empirische Realität von Geschlechteridentitäten, sondern führen uns diese als instabile „Wiederholungen“ zitierter Images vor: Von Spiderman über Cyborgs bis hin zu vermummten DemonstrantInnen oder Frantz Fanons „Black Skin White Masks“ erweisen sich solche Images durch mehrschichtige, zum Teil konträre Bedeutungsebenen überlagert und gebrochen. Doch das schränkt die ideologische Wirkung der medienkulturellen, politischen und theoretischen Narrationen, die der Topos der Maske evoziert, nicht zwangsläufig ein.

So ist gegen Judith Butlers Klassiker „Das Unbehagen der Geschlechter“ (1991) bekanntlich der Vorwurf erhoben worden, das die hierin vorgenommene Dekonstruktion des Geschlechts sich zwar auf parodistische Praktiken innerhalb spezifischer subkultureller Milieus übertragen lasse: Doch Butlers Sex-Gender-System, demzufolge nicht nur das soziale, sondern auch das biologisch markierte Geschlecht ein Effekt vorgängiger Diskurse sei, könne die gesellschaftlichen Machtverhältnissen bzw. die Realitätsmacht herrschender Geschlechterideologien nicht greifen. Daher eigne es sich auch nicht für ein Weiterdenken des feministischen Emanzipationsprojektes, insofern sie lesbischen, queeren und heterosexuellen Frauen jener notwendigen identitätspolitischen Basis beraube, der es bedürfe, um Handlungsfähigkeit zu erlangen.

In eine ähnliche Richtung argumentieren auch Künstlerinnen wie Andrea Fraser, die in einem Interview erklärte, dass der dekonstruktive Feminismus der achtziger und neunziger Jahre die Dimension des kollektiven Kampfes verfehle.[13] In der Kopplung des Gender-Diskurses mit dem Performativitätstheorems habe sich, so ein häufig erhobener Einwand, der Feminismus jener multidentitären Flexibilität angepasst, die das postfordistische Produktionssystem erfordere. In solchen Argumentationen lassen sich schließlich auch Begründungen dafür finden, warum sich Kunstinstitutionen mit den Gender Studies der neunziger Jahre leichter taten als mit dem kämpferische Feminismus der siebziger Jahre. So sind Schlagworte wie „Flexibilisierung“, „Deregulierung“, „Mobilisierung“ zu Schlüsselbegriffen innerhalb jener, sich auf identitäts- und institutionskritische Ansätze der siebziger Jahre berufenden, künstlerischen Strömungen avanciert, die sich gegen die nach wie vor geltende Forderung des Kunstmarkts nach verkäuflicher Ware institutionell positionieren konnten und können. Das heißt, dass die Rede von „fiktiven“ und „performativen“ Identitäten und Geschlechtern dort schnell verpufft, wo sich KünstlerInnen aus einer Mischung aus frei gewählter und erzwungener Selbstbestimmung mit der Notwendigkeit konfrontiert sehen, Produktionsmittel, Arbeitsräume, Ausstellungsorte, Kontakte, Distributionsmöglichkeiten, Öffentlichkeiten selber zu organisieren: Ein Prozess, der für KünstlerInnen, die die veränderten Bedingungen von künstlerischer Arbeit und die hiermit vermittelten Diskurse über Geschlecht in ihre Interpretation des Verhältnisses von privaten und öffentlichen bzw. institutionellen Räumen integrieren, zu einem zentralen Problemfeld geworden ist.[14]

Lässt sich also angesichts solcher Einwände jenes Spiel mit Geschlechtermasken, wie es Karin Felbermayr in ihren Arbeiten unternimmt, ein weiteres Mal zum Ausgangspunkt eines ästhetischen Neuentwurfs (institutions-)politisch adressierbarer Identitätspolitik machen?
So paradox es klingen mag, scheint es im Hinblick auf „Gender Gamble“ nahe liegend, zugleich Partei für und gegen eine Politik der Geschlechter zu ergreifen, die in die ineinander greifenden Mechanismen von Identifikation und Desidentifikation mit herrschenden Ökonomien notwendigerweise verstrickt ist. Insofern müssen ästhetische Dekonstruktionen von Geschlecht immer auch im Licht des moderat-konservativen Liberalismus des Kunstbetriebs betrachtet werden, der – keine Neuigkeit – in einem merkantilen Verbund mit der Fashion-, Pop-, Porno- und Fitnessindustrie steht. Doch schaut man sich deren Produkte an (Stichwort Madonna), so kann die These, dass Männlichkeit und Weiblichkeit gerade auch deswegen Fiktionen und Diskurseffekte sind, weil sie als solche inszeniert werden, kaum mehr als eine abgehobene, theoretizistische Plattitüde vom Tisch gewischt werden. Was nicht heißt, dass damit das empirische Subjekt vom Tisch wäre. Vielmehr sensibilisiert „Gender Gamble“ für den Umstand, dass sich BetrachterInnen immer auch, wenn nicht zuallererst mittels Fiktionen und Diskurse ihres Körpers bewusst werden. Daher, so die Hoffnung ganzer Generationen von feministisch argumentierenden KünstlerInnen, könnten genau diese das Feld einer kollektiv inspirierenden Neubearbeitung geltender Spielregeln darstellen. Insofern stellt der performative Topos des Screens und der Maske fast schon so etwas wie ein Ready Made-Zitat dar, als er in die alte Differenz zwischen den autobiografisch-empirischen und den narrativ-fiktionalen Subjektentwürfen die Lektionen des historischen Minimalismus ebenso einschleust wie die feministisch-psychoanalytische Kino-, Bild- und Performancetheorie: Geschlecht ist demzufolge keine sichtbare Information, die sich von der ästhetischen Erscheinungsweise des Körpers und des Raums abstrahieren lässt: Denn wir nehmen diese als Images, mithin als unhintergehbar maskierte Wahrheiten wahr.


[1] Judith Butler: Psyche der Macht. Das Subjekt der Unterwerfung. Frankfurt/ Main, 2002, S. 27.

[2] Rosalind Krauss: Die kulturelle Logik des spätkapitalistischen Museums. 1990, in deutscher Übers. in: Texte zur Kunst, 2. Jg., Nr. 6, Juni 1992, S. 131-145, hier S. 136.

[3] Siehe hierzu meine Ausführungen in: Sabeth Buchmann: Denken gegen das Denken. Produktion – Technologie – Subjektivität bei Sol LeWitt, Yvonne Rainer und Hélio Oiticica. Berlin 2007, S. 157.

[4] Vgl. Krauss, a.a.O.

[5] Ebd.

[6] Ebd., S.140.

[7] Kaja Silverman: Dem Blickregime begegnen. In: Christian Kravagna (Hg.): Privileg Blick. Kritik der visuellen Kultur. Berlin 1997, S. 41-64.

[8] Kaja Silverman: The Threshold of the Visible World. New York 1995, hier S. 203. Entsprechende Literaturhinweise verdanke ich dem Architekten und Kulturtheoretiker Christian Teckert.

[9] Siehe Butler a.a.O.

[10] Silvia Eibelmayr: Schauplatz Skulptur: Zum Wandel des Skulpturenbegriffs unter dem Aspekt des Performativen. In: Sabine Breitwieser/ Generali Foundation (Hg.): White Cube/ Black Box. Wien 1996, S. 75-96, hier S.77.

[11] Ebd., S. 75.

[12] Siehe hierzu meine Überlegungen in: Sabeth Buchmann: Im Zeichen der Arbeit. In: Alexander Alberro u. Sabeth Buchmann (Hg.): Art After Conceptual Art. (Reihe Sammlung Generali Foundation), Köln 2006, S. 205-222, hier S. 217.

[13] „Feminism & Art: Nine Views“, Artforum International, October 2003, Andrea Fraser: Feminism not only provides institutional critique with a criticial object; it provided a practical methodology. In: Artforum. Oktober 2003, S. 142.

[14] Siehe hierzu meine Überlegungen in: Im Zeichen der Arbeit. a.a.O., S. 208.



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